Colonia Dignidad – eine deutsch-chilenische Geschichte im Kontext von Wissenschaft, juristischer Aufarbeitung und öffentlicher Inszenierung

Colonia Dignidad – eine deutsch-chilenische Geschichte im Kontext von Wissenschaft, juristischer Aufarbeitung und öffentlicher Inszenierung

Organisatoren
Elisabeth-Käsemann-Stiftung; Zentralinstitut für Lateinamerikastudien (ZILAS), Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Förderer
Deutsche Forschungsgemeinschaft
Ort
Eichstätt
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
22.06.2022 - 24.06.2022
Von
Christiane Hoth de Olano, Professur für Geschichte Lateinamerikas, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

Die Sociedad Benefactora y Educacional Dignidad (Wohltätigkeits- und Bildungsgesellschaft der Würde) wurde 1961 vom deutschen Sektenführer Paul Schäfer und seinen Anhängern gegründet. Die auch Colonia Dignidad genannte Organisation repräsentierte sich als eine arbeits- und sozialorientierte Gemeinschaft, die vermeintlich tief in urchristlichen Werten und Idealen verwurzelt war. In Wirklichkeit war sie jedoch ein Instrument, mit dem jahrzehntelang Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden. Die internationale Fachtagung verfolgte das Ziel, die in den letzten Jahren vorangetriebenen Forschungen zu bündeln, den transnationalen Dialog zwischen den Forschenden zu fördern und dieses wichtige Thema in der chilenischen, bundesdeutschen und internationalen Geschichte besser zu verorten. Nach einer Begrüßung durch die Geschäftsführerin der Elisabeth-Käsemann-Stiftung, Dorothee Weitbrecht, widmete die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, BEATE RUDOLF (Berlin), ihren Eröffnungsvortrag der Auseinandersetzung mit der Colonia Dignidad aus Perspektive der Menschenrechte.

Das Auswärtige Amt, das der Gemeinsamen Kommission von Deutschem Bundestag und Bundesregierung zur Aufarbeitung der Verbrechen der Colonia Dignidad angehört, wurde von ENRICO BRANDT (Berlin) vertreten. Er bezeichnete die Rede des damaligen Bundesaußenministers Steinmeier im Jahr 2016 rückblickend als turning point in der Bewertung der historischen Rolle der deutschen Diplomatie in Bezug auf die Colonia Dignidad. Aus dieser Neubewertung resultiert zwar keine juristische, aber eine moralische Verpflichtung. Im Mittelpunkt steht für das Auswärtige Amt die Umsetzung eines Hilfskonzepts für die Opfer.

PHILIPP KANDLER und DOROTHEE WEIN (Berlin) stellten das an der Freien Universität Berlin unter Leitung von Stefan Rinke durchgeführte Projekt „Colonia Dignidad. Ein chilenisch-deutsches Oral History Archiv“ vor, das zwischen 2019 und 2022 vom Auswärtigen Amt auf Grundlage eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert wurde. Das facettenreiche Interview-Archiv soll über eine Online-Plattform mit geschütztem Zugang die wissenschaftliche Forschung zum Thema fördern und der politischen Bildung zur Verfügung stehen.

Am Beispiel Hartmut Hopps, der in Chile für seine in der Colonia Dignidad begangenen Taten verurteilt worden war und dem 2011 die Flucht aus Chile nach Deutschland gelang, beschrieb ANDREAS SCHÜLLER (Berlin) die Unzulänglichkeiten des deutschen Strafrechts gegenüber systemischer Folter und gewaltsamem Verschwindenlassen. Die in der Colonia Dignidad begangenen Verbrechen würden vom Strafgesetzbuch nicht erfasst oder unterlägen der Verjährungsfrist. Darüber hinaus hätten unterlassene Zeugenvernehmungen, unzureichende Kenntnisse über das System Colonia Dignidad und mangelndes Verständnis der Struktur der Gewaltherrschaft, die die individuelle Verantwortung von Tätern falsch beurteile, zur Einstellung von Ermittlungsverfahren geführt.

ELIZABETH LIRA (Santiago) stellte Formen der Wiedergutmachung und der Entschädigung der Opfer der ehemaligen Colonia Dignidad in den Mittelpunkt ihres Beitrags. Von entscheidender Bedeutung hält Lira die Verurteilung der Täter. Sie thematisierte insbesondere die individuellen und kollektiven psychologischen, medizinischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Gewalt. Die Anerkennung der Leiden der Opfer spiegelt sich in der Notwendigkeit wider, Rahmenbedingungen für die Erinnerung beispielsweise über Gedenkstätten und Garantien für ein Nichtwiederholen zu schaffen.

ELKE GRYGLEWSKI (Celle) wies auf die Komplexität des Begriffs „Opfer“ und des Diskurses innerhalb der Opfergruppen der Colonia Dignidad hin. Vor dem Hintergrund der heterogenen politischen, kulturellen und sozialen Herkunft der Opfer bestehe eine große Bandbreite des Erlittenen, deren Folge verschiedene Narrative in Bezug auf die Vergangenheit seien. Im Rahmen der Expertenkommission wurden seit 2014 bereits zahlreiche Treffen in der ehemaligen Colonia Dignidad, der heutigen Villa Baviera, organisiert. Sie gehe davon aus, dass in wenigen Jahren auf dem Gelände ein Dokumentationszentrum und eine Gedenkstätte errichtet werden.

JENS-CHRISTIAN WAGNER (Jena) hob die tragende Rolle der Zivilbevölkerung bei der Gründung von Gedenkstätten und Lernorten hervor. Der deutsche Staat begann erst Anfang der 1990er-Jahre, den Erhalt der historischen Stätten in Verbindung mit einem bildungspolitischen Auftrag und der Bereitstellung eines Trauer- und Gedenkortes zu unterstützen. Aufgrund der Erfahrungen mit NS-Tatorten hält Wagner die Schaffung einer Gedenkstätte am historischen Ort für ein zentrales Ziel, um eine konstruktive gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Colonia Dignidad zu erreichen. Der neu gestaltete Ort werde Trauer- und Erinnerungsort, Bildungsraum und Tatort im Kontext juristischer Beweisführung.

JAN STEHLE (Berlin) ging vor allem auf die Inhalte seiner kürzlich veröffentlichten Dissertation mit dem Titel „Der Fall Colonia Dignidad. Zum Umgang bundesdeutscher Außenpolitik und Justiz mit Menschenrechtsverletzungen 1961–2020“ ein. Er unterscheidet zwischen internen – gegen Mitglieder der Kolonie– und externen Verbrechen – gegen Personen und Instanzen außerhalb der Kolonie –, sowie primären – Sexualstraftaten Schäfers – und sekundären Straftaten – begangen von der Colonia Dignidad als System. Die Opfer teilt Stehle in Untergruppen auf. Sowohl Chile als auch Deutschland gingen die juristische und politische Aufarbeitung zu langsam an. Stehle kritisierte, dass viele Akten und Beweismittel der akademischen Forschungen nicht zur Verfügung stünden. Dies werde immer wieder zu Verzerrungen zu Lasten der Rechte und Bedürfnisse der Opfer führen.

LUIS NARVÁEZ (Buenos Aires) sieht investigativen Journalismus als Chance, sowohl historische Kontexte zu rekonstruieren als auch die Ergebnisse der Forschungen in einem öffentlichen Rahmen zu präsentieren. Er stellte unterschiedliche Datensammlungen vor, wobei die größte und informationsreichste Sammlung die aus der Colonia Dignidad selbst ist. Auch wenn viele Quellenbestände noch nicht ausgewertet sind, konnten bisherige Forschungen bereits zeigen, welche einflussreichen Persönlichkeiten aus Deutschland und Chile mit der Colonia Dignidad zusammengearbeitet haben.

Initiativen gegen das Schweigen sowie Hürden, die das Erinnern an die Verbrechen der chilenischen Militärdiktatur erschwerten, standen im Mittelpunkt des Beitrags von MARÍA LUISA ORTÍZ (Santiago). Sie problematisierte, dass immer noch wichtige Beweismittel verschwinden oder unzugänglich sind. Meilensteine gegen das Vergessen setzen Menschenrechtsorganisationen, zivilgesellschaftliche Initiativen, Gedenkstätten und Dokumentationszentren. Ortíz hob die Notwendigkeit eines Verzeichnisses aller Bestände, Initiativen und kultureller Produktionen hervor, um den Zugang zu wichtigen Zeugnissen zu erleichtern und das Material stärker in Bildungscurricula zu integrieren.

YVONNE BLOMANN (Bonn) stellte den weltpolitischen Kontext zur deutschen auswärtigen Politik während der Existenz der Colonia Dignidad in Chile her. Dem Mangel an staatlicher Souveränität in der Sicherheits- und Außenpolitik versuchten die bundesdeutschen Regierungen zunächst mit der Integration in westliche Bündnisse zu begegnen. Im Zeichen der Entspannung und einer phasenweisen Schwächung der politischen Führungsrolle der USA entwickelte die Bundesrepublik wachsendendes Selbstbewusstsein mit einer eigenständigen multilateralen Außenpolitik, deren Primat in der Stärkung ihrer wirtschaftlichen Beziehungen lag.

HOLGER MEDING (Köln) nahm die politischen Beziehungen zwischen Chile und der Bundesrepublik in den Blick. In enger Abstimmung mit den USA wurde die BRD nach 1945 zunächst zu einem der wichtigsten Handelspartner Chiles und Hauptempfänger bundesdeutscher Entwicklungshilfe. Die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Hanns-Seidel-Stiftung zählten zu politischen Akteure in Chile, die konservative Parteien und Gruppierungen unterstützten. Sie sympathisierten nach dem Putsch 1973 mit der chilenischen Diktatur und besaßen Kontakte in die Colonia Dignidad. Die bundesdeutsche Regierung hingegen distanzierte sich in abgewogenem Maße offiziell von der Diktatur – aber nur, um zugleich mit der sogenannten Stillen Diplomatie das Signal auszusenden, die begangenen Menschenrechtsverletzungen würden keine ernstzunehmenden Sanktionen nach sich ziehen.

HOLLE MEDING (Berlin) zeichnete die Anfänge der 1956 vom Laienprediger Paul Schäfer in Siegburg gegründeten Privaten Socialen Mission nach, von Schäfers früher Jugendarbeit über die Gründung der Gemeinschaft bis hin zur späteren Auswanderung nach Chile. Sie kam zu dem Schluss, dass Schäfer in dieser Zeit nicht den uneingeschränkten religiösen Mittelpunkt der Gruppierung darstellte, sondern dass auch Hugo Baar, der den Gronauer Zweig einbrachte, eine bedeutende Führungsrolle besaß. Meding beschrieb das zögerliche Agieren der lokalen Aufsichtsbehörden, denen durchaus extremistische Tendenzen in der Privaten Socialen Mission bekannt waren.

Die Zeithistorikerin ISABEL TORRES (Chile) widmete sich den Jahren zwischen 1961, dem Gründungsjahr der Colonia Dignidad, und 1973, dem Jahr des Militärputsches in Chile. Sie stellte die These auf, dass in diesem Zeitraum die Grundlagen für die künftigen Unterstützungsnetze und politisch-wirtschaftlichen Verbindungen gelegt wurden. Obwohl sich in den 1960er-Jahren die politischen Verbindungen zu rechten und ultrarechten Sektoren bildeten, die später zwischen der Führungsebene der Colonia Dignidad und dem Sicherheitsapparat der Diktatur gefestigt wurden, handelt es sich um eine in der Forschung bislang wenig untersuchte Zeit.

Der Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung, THOMAS KRÜGER (Bonn), näherte sich dem Thema Colonia Dignidad in seiner Keynote aus der Perspektive zweier verschiedener Ansätze, deren Ziele unter anderem in Abhängigkeit vom zeitlichen Abstand zum historischen Geschehen jeweils dringlicher erscheinen mögen: der „Aufarbeitung der Vergangenheit“ und der „politisch-historischen Bildung“. Er forderte Multiperspektivität aktiv zu suchen – beispielsweise über Fragestellungen aus dem Bereich der Geschlechterforschung, die neue Opfergruppen der Colonia Dignidad definieren können.

EVELYN HEVIA JORDÁN (Berlin/Santiago) stellte ihre noch laufenden Arbeiten an ihrer Dissertation über das Krankenhaus El Lavadero innerhalb der Colonia Dignidad vor. Ihre These ist, dass man die Geschichte der Colonia Dignidad am Beispiel des Krankenhauses – dem Zentrum der Colonia Dignidad – erschließen und besser einordnen kann. Das Krankenhaus nahm eine tragende Rolle innerhalb der Siedlergemeinschaft ein.

Der Journalist CHRISTIAN BERGMANN (Leipzig) fragte nach den wirtschaftlichen Verflechtungen der Colonia Dignidad und ging auf die Rollen von Erich Strätling und Gerhard Mertins ein. Der Beitrag zeigte vor allem, dass die Bedeutung von Zeitzeugeninterviews insbesondere dort zentral ist, wo Dokumente aus Archiven weiterhin unter Verschluss gehalten werden oder wo Beweismittel bereits vernichtet wurde. Gleichwohl ist Vorsicht geboten, wenn Aussagen von Zeitzeugen sich durch die Analyse von Textquellen nur schwer bestätigen oder ergänzen lassen. Hinzu kommt, dass viele Zeitzeugen, die als Erwachsene mit der Colonia Dignidad in Kontakt standen, bereits verstorben sind.

Im Zentrum des Vortrags von SABINE KURTENBACH (Hamburg/Marburg) standen die langfristigen Folgen von Gewalt als ein vielschichtiges Phänomen, das heute von unterschiedlichen Disziplinen beforscht wird. Die Politikwissenschaftlerin unterschied für Lateinamerika zwischen unterschiedlichen Kontexten der Gewalt, etwa in autoritären Regimen und Diktaturen, oder aber Kriegen und bewaffneten Konflikten sowie Gewalt durch das organisierte Verbrechen. In einer breiteren Perspektive könnten die Erfahrungen mit der Colonia Dignidad laut Kurtenbach als eine besondere Form eines Parallelstaates jenseits der staatlichen Kontrolle analysiert werden.

In der Colonia Dignidad wurden Kinder und Jugendliche über Jahrzehnte systematisch gedemütigt, bestraft, psychisch und physisch misshandelt und sexuell missbraucht. Als besonders gravierend müssen die Schäden in der psychosexuellen Entwicklung eingestuft werden. Laut SUSANNE BAUER (Berlin) können Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie, der psychoanalytischen Traumapsychologie und der systemischen Theorie helfen, sich ein adäquateres Bild vom Ausmaß der den Heranwachsenden zugefügten psychischen Schäden zu machen. Bauer resümierte, dass die meisten der inzwischen erwachsenen Bewohnerinnen und Bewohner der Colonia Dignidad sowohl körperlich als auch seelisch erkrankt waren.

LORENA ALBORNOZ (Bielefeld) thematisierte Fragestellungen zur Wiedergutmachung, zum Beispiel zur anhaltenden Ungewissheit über den Verbleib vermisster Personen, die während der Militärdiktatur in die Colonia spurlos verschwanden. Sie hob die Initiativen zivilgesellschaftlicher Akteure sowie vieler Opferangehöriger hervor, die weitere Maßnahmen im Zuge einer raschen Aufklärung dieser Fälle förderten und fordern. Albornoz plädiert für die Einrichtung einer Wahrheitskommission, um den Verbleib der noch immer vermissten Personen zu klären.

Auf der Basis des Konzepts der Übergangsjustiz ergeben sich aus Sicht von CATH COLLINS (Coleraine/Santiago) sechs zentrale Themenkomplexe im Zusammenhang mit der Colonia Dignidad. Erstens gehören hierzu Fragen der Dekolonisierung hinsichtlich der enteigneten chilenischen Grundstücke, auf denen die Colonia Dignidad errichtet wurde. Zweitens muss der finanzielle Schaden, der den Opfern über Zwangsarbeit und Betrug zugefügt wurde, definiert werden. Drittens muss die problematische Hierarchisierung und Kategorisierung von Opfern und Täterinnen und Tätern aufgelöst werden. Viertens muss die besondere intergenerationelle Struktur der in der Colonia Dignidad verübten Verbrechen und die Kollaboration mit dem Pinochet-Regime erforscht werden. Ein fünftes Untersuchungsfeld liegt in der medialen Verarbeitung der Colonia Dignidad und in der Verbreitung manipulativer und verfälschender Interpretationen. Das sechste Themenfeld betrifft neue forensische und digitale Technologien und die Entdeckung von Archivmaterial in den letzten Jahren.

FRANCISCO BEDECARRATZ SCHOLZ (Santiago) erweiterte den Vortrag von Andreas Schüller zur Strafverfolgung Hartmut Hopps, indem er seinen Fokus auf die juristische Zusammenarbeit zwischen Chile und Deutschland und die Bedeutung der Verfahren für die Übergangsjustiz in Chile richtete. Das Scheitern der deutsch-chilenischen juristischen Kooperation bezüglich der Verurteilung eines Deutschen, der auf chilenischem Staatsgebiet Menschenrechtsverletzungen beging, bedeutete für die chilenische Übergangsjustiz eine schwere Niederlage und belastet die deutsch-chilenischen Beziehungen. Bedecarratz Scholz bewertet die chilenischen Ermittlungsverfahren dennoch als positiv, da sie maßgeblich zur Aufklärung der in der Colonia Dignidad statt gefundenen Verbrechen beitrugen.

Resultierend ergaben sich zahlreiche Erkenntnisse, aber auch neue Fragestellungen und Desiderate. Beispielsweise wurde offenbar, dass bisher noch nicht rekonstruiert wurde, auf welchen Netzwerken aufbauend sich die Organisation über einen sehr langen Zeitraum vor äußeren Eingriffen schützen und ein wirtschaftlich erfolgreiches System etablieren konnte. Auch die Vorgeschichte der Colonia Dignidad in Deutschland liegt zum Teil noch im Dunkeln. Die Vielschichtigkeit der Verbrechen und der sie tangierenden politischen und gesellschaftlichen Bereiche in Deutschland und Chile wurde deutlich. In diesem Zusammenhang stellte sich für einige Teilnehmende die Frage, ob die Zuordnung der Colonia Dignidad zum Forschungsfeld Sekten bzw. Glaubensgemeinschaften aufgrund der genannten Komplexität zielführend sei. Auch die unzureichende Strafverfolgung der Verbrechen wurde mehrfach festgehalten und ein verstärkter Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern der Justiz im interdisziplinären, wissenschaftlichen Rahmen angeregt.

In der Abschlussdiskussion forderten Teilnehmende den freien Zugang zu sämtlichen in den Archiven liegenden Dokumenten, zum Beispiel zu dem des Bundesnachrichtendienstes. Es wurden auch die Grenzen wissenschaftlichen Arbeitens diskutiert und die Frage aufgeworfen, welche Chancen beispielsweise künstlerische Formate bieten könnten. Auch die Schaffung von Lernorten, neuen pädagogischen Konzepten und frei zugänglichen Informationsforen wurden als zentrale Anliegen formuliert.

Es bleibt zu konstatieren, dass es den Themenkomplex Colonia Dignidad betreffend weder an Quellen mangelt noch am Willen, diese für die Forschung zu erschließen. Auch der verstärkte Bedarf an internationalen Forschungsprojekten wurde von allen Teilnehmenden konstatiert. Das Symposium schuf eine wichtige Grundlage für einen kontinuierlichen Dialog zwischen verschiedenen Expertinnen und Experten, Forschungsansätzen und Perspektiven auf dem Forschungsgebiet Colonia Dignidad.

Konferenzübersicht:

Welcome

Klaus Stüwe (Catholic University of Eichstätt-Ingolstadt)

Dorothee Weitbrecht (Elisabeth Käsemann Foundation, Stuttgart)

Greeting

Francisco Ulloa (Embassy of the Republic of Chile in Germany, Berlin)

Ceremonial Address

Beate Rudolf (German Institute for Human Rights, Berlin)

Panel I: State-of-the-art: the evolution of the political and historical debate on the “Colonia Dignidad”, its significance and perception, its impact and legacy in Germany and Chile after 1990

Enrico Brandt (Federal Foreign Office, Berlin): Overview of the activities of the Federal German Government for the victims of the “Colonia Dignidad” with a special focus on the years from 2016 onwards

Philipp Kandler / Dorothee Wein (Institute for Latin American Studies, Free University of Berlin): “Colonia Dignidad”. A Chilean-German oral history archive (CDOH)

Andreas Schüller (International Crimes and Accountability Program European Center for Constitutional and Human Rights e.V., ECCHR, Berlin): The failures of the German judiciary to investigate the “Colonia Dignidad”

Elizabeth Lira (Alberto Hurtado University, Santiago): Recognition of victims and challenges of reparations

Elke Gryglewski (Foundation of Lower Saxony Memorial Sites, Celle): Dealing with victim and memory contest

Jens Christian Wagner (University of Jena / Foundation of Memorial Sites Buchenwald and Mittelbau-Dora, Jena): Perpetration and social history in memorial work at places of suffering and crime scenes: Examples from Germany and perspectives for a documentation site on “Colonia Dignidad”

Jan Stehle (Free University of Berlin / Research and Documentation Center Chile-Latin America, Berlin): Dealing with the crimes of Colonia Dignidad in Chile and Germany – historicization without truth and justice?

Panel II: The “Colonia Dignidad” in the media and its public perception in Germany and Chile

Luis Narváez (Journalist and Researcher, Buenos Aires): Search, declassification and analysis of secret archives: The role of journalism in the absence of official investigations

María Luisa Ortíz (Museum for Memory and Human Rights, Santiago): Records and silences of uncomfortable memories: Controversies and challenges about “Colonia Dignidad” archives in Chile

Panel III: Ambivalent interrelations and entanglement ambiguity between Germany and Chile during the Cold War

Yvonne Blomann (University of Bonn): “Bonn in der Welt”: Foreign Relations of the Federal Republic of Germany during the Cold War. An overview

Holger Meding (University of Cologne): Silent Diplomacy. The Federal Republic of Germany and Chile at the height of the Cold War

Holle Meding (Free University of Berlin): Tracing the origins of the “Colonia Dignidad”: Paul Schäfer and the Private Sociale Mission

Isabel Torres (University of Chile, Santiago): The growing power of “Colonia Dignidad” in the 1960s: A case study from a contemporary history perspective

Keynote lecture

Thomas Krüger (Federal Agency for Civic Education, Bonn): From “Aufarbeitung” to civic-historical education: Perspectives on the remembrance of “Colonia Dignidad”

Panel IV: The “Colonia Dignidad” during the Chilean dictatorship and its role within the state-directed oppression system

Evelyn Hevia Jordán (Free University of Berlin / Alberto Hurtado University, Santiago): The hospital of “Colonia Dignidad”: between charity and repression

Christian Bergmann (Journalist and Researcher, Leipzig): The “Colonia Dignidad” and its economic linkages: Arms production and trade

Panel V: Dealing with experiences of physical and psychological forms of violence since the second half of the 20th century in Latin America

Sabine Kurtenbach (German Institute of Global and Area Studies, Hamburg / Center for Conflict Studies, University of Marburg): The long-term challenges and consequences of violence

Susanne Bauer (Berlin Career College, Berlin University of the Arts): Personal development under extreme living conditions – growing up in “Colonia Dignidad”

Lorena Albornoz (University of Bielefeld): Discourses of actors to achieve reparation and justice for victims of forced disappearance associated with the “Colonia Dignidad” case

Panel VI: Transitional justice as international and bilateral challenge

Cath Collins (Ulster University, Coleraine / Observatorio Justicia Transicional, Universidad Diego Portales, Santiago): “Colonia Dignidad” in the light of current debates in transitional justice

Francisco Bedecarratz Scholz (Universidad Autónoma, Santiago): The Hartmut Hopp case: lessons in transitional justice